In der Fondszeitung äußert sich Harald Elsperger, Vorstand der xpecto AG, über die Tokenisierung und was sich dabei für Kunden und Emittenten ändert. 

  • Erschienen in: Fondszeitung

  • Erschienen am: September 2019

  • Herausgeber: Welther-Verlag.

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  • Autor: Harald Elsperger, (MBA, Dipl.-Ing.(FH)), 45, Gründer und Vorstand der xpecto AG

Beitrag als Text

Die Tokenisierung startet. Was ändert sich für Kunden und Emittenten?

 

Die ersten Wertpapiere sind nun als Token aufgelegt worden. Damit zeigen sich jetzt relativ klar der nötige Aufbau und die nötigen Abläufe bei der Emission von Wertpapier -Token. Betrachten wir kurz den Ablauf des bisherigen Wertpapiergeschäftes:

Der Vertrieb vermittelt zwischen Interessenten und Anbieter, ein Angebot zur Zeichnung entsteht. Der Zeichnungsschein oder die Daten der Zeichnung kommen nun zum Emittenten. (In den meisten Fällen zu einem Verwaltungsdienstleister.) Dort werden die Daten erfasst oder importiert. Nach der Erfassung wird die Zeichnung hinsichtlich ihrer Angemessenheit und der Kunde hinsichtlich seiner Eignung geprüft und anschließend vom Haftungsdach freigegeben. Der Kunde erhält von der Verwaltung eine Annahmebestätigung mit einer Zahlungsaufforderung. Der entsprechende Betrag wird vom Kunden per Überweisung auf das Konto des Emittenten gezahlt. Die Zahlung wird von der Verwaltung verbucht und dem Kunden bestätigt. Nach der Zahlung werden die Stücke über die Zahlstelle und deren Zugang zum Clearstream-System in das Depot des Kunden eingebucht.

Weitere Zahlungsströme wie Dividenden oder Rückzahlungen werden bei der Aufnahme des Wertpapiers durch die Zahlstelle schon definiert. Der Emittent leistet die Zahlungen in einer Summe an die Zahlstelle und es erfolgt die Verteilung an die aktuellen Inhaber der Stücke über die Kette Zahlstelle – Clearstream – Depotbank – Depot – Referenzkonto.

Die Nachteile dieses Verfahrens liegen auf der Hand: Der Kunde benötigt ein Depot. Für die Nutzung von Clearstream und Zahlstelle fallen Kosten an. Die Abstimmung mit der Zahlstelle ist in den meisten Fällen noch recht altertümlich organisiert. Der Prozess ist durch die vielen Mitwirkenden langsam und kann meist nicht transparent durchschaut werden.

Die Tokenisierung von Wertpapieren ändert diesen Prozess grundlegend

Er wird digitaler, transparenter, schneller und billiger. „Disruptiv“ ist das Wort der Stunde, Technik ersetzt traditionelle Abläufe. Dabei handelt es sich aber nur um die Änderung der Verpackung: Die Tokenisierung nimmt ein bestehendes Finanzprodukt mit allen Pflichten und Erfordernissen und fügt lediglich eine schlanke, digitale Hülle hinzu.

Sehen wir uns den Ablauf im Zeitalter der Token noch einmal genau an:

Der Vertrieb wird weiterhin benötigt. Die Gestalt des Vertriebs wird sich aber immer mehr vom Berater hin zu Empfehlungsmarketing verschieben. Der Kunde schließt seine Zeichung sehr wahrscheinlich direkt digital ab. Grundsätzlich ist es aber auch denkbar, Token mit einem traditionellen Zeichnungsschein zu vertreiben.

Der erste echte Unterschied: Der Kunde benötigt kein Depot mehr.

Da die Token auf einer Blockchain (meist Ethereum) verwaltet und gebucht werden, benötigt der Kunde auf dieser Blockchain eine Depotnummer als Identifikationsmerkmal. Diese Depotnummer nennt sich Wallet-Adresse. Dabei können Wallet-Adressen sehr einfach und ohne zutun von externen Partner erstellt werden. Viele Mobiltelefone und auch Browser können diese Wallets mittlerweile sehr sicher erzeugen und sie können sich eine beliebige Anzahl von kostenlosen Wallet-Adressen erstellen. Da die Erstellung von Wallets sehr einfach von statten geht, kann diese Aufgabe auch direkt, kostenlos und sehr komfortabel im Zeichnungsprozess erledigt werden. Der Kunde könnte sogar für jede Tokenzeichnung ein eigenes Wallet nutzen. Ich denke, wir werden genau das in der Zukunft sehen.

Die Compliance-Anforderungen an die Zeichner und an die Zeichnungen sind wie beim bisherigen Wertpapiergeschäft zu erledigen. Damit dürfte auch im Zeitalter der Token klar sein, dass jeder Kunde sauber identifiziert und bewertet werden muss. Ein unreguliertes Wildwest wird es nicht geben.

Zahlungen laufen auch weiterhin in Euro

Im Zeichnungsablauf erhält der Kunde wie bisher auch eine Zahlungsaufforderung und er zahlt in Euro auf das Konto des Emittenten ein. Im Anschluß ist nun die Verwaltung gefragt, bisher hat häufig die Zahlstelle den Zahlungseingang überwacht und dann die Stücke zur Einbuchung gebracht. Die Zahlstelle ist aber bei der Tokenemission nicht mehr notwendig. Die Verwaltung der Stücke findet transparent in der Blockchain statt und die hat nur sehr geringe Zugangsvoraussetzungen. Die grundsätzlichen Aufgaben der Zahlstelle sind aber auch zukünftig nötig. Die Überwachung des Geldeinganges, die Verbuchung auf die jeweilige Zeichnung und die Erzeugung der Token für das entsprechende Kundenwallet muss durch die Verwaltung abgedeckt werden. Hier helfen digitale Workflows, die Richtigkeit, Geschwindigkeit und Revisionssicherheit in die Verwaltungspraxis bringen.

Dividenden, Zinsen und Rückzahlungen werden dem Kunden zukünftig direkt vom Emittenten auf sein Referenzkonto überwiesen. In manchen Fällen ist hierzu die Zwischenschaltung eines E-Geld-Instituts nötig, die Sinnhaftigkeit dieses Verfahrens ist allerdings zweifelhaft. Der Zahlungsverkehr läuft ja wie bisher zwischen zwei Girokonten bei den üblichen Vollbanken ab, für Sicherheit sollte hier auch ohne weitere Dienstleister gesorgt sein.

Sein Referenzkonto hat der Kunde übrigens während der Zeichnung hinterlegt, eine Änderung der Daten ist über seinen Onlinezugang oder über einen definierten Verwaltungsablauf jederzeit möglich.

Alle Rechte gehen vom Token aus

Wir haben nun einen Token gezeichnet und die Rückflüsse organisiert. Es sind ein paar Zwischenebenen entfallen, aber der Kunde hat bisher keinen wesentlichen Unterschied verspürt. Unterschiede ergeben sich bei den weiteren Rechten, die sich aus dem Token ergeben.

Wenn Sie ein Wertpapier in ihrem Depot halten, dann können Sie es jederzeit verkaufen. Zusätzlich erhalten Sie Informationen über die Wahrnehmung Ihrer Rechte (z.B. bei einer Beschlussfassung) direkt über die Depotbank. Beide Elemente müssen auch bei der Tokenisierung weiter funktionieren.

Der Handel von Token war von Anfang an technisch vorgesehen. Jeder Inhaber von Token könnte diese grundsätzlich an jede Wallet-Adresse anonym übertragen. Diese Möglichkeit müssen wir für die BaFin-konforme Emission von Token aber einschränken:

Zweitmarkt: Jeder Tokeninhaber muss dem Emittenten bekannt sein

Jeder Tokeninhaber muss einen Legitimations-(KYC-)Prozess beim Emittenten durchlaufen. Die Gruppe der möglichen Käufer ist also etwas eingeschränkt. Jeder Inhaber von Token kann diese frei und ohne Zutun des Emittenten an andere geprüfte und registrierte Personen verkaufen.

Eine Anzeigepflicht gegenüber dem Emittenten entsteht auch hier nicht. Der Emittent kann die Übertragungsvorgänge der Token über die Blockchain genau nachvollziehen und über das getrennte Register der geprüften Anleger jederzeit den aktuellen Inhaber jedes Tokens ermitteln.

Der Token definiert also welche Rechte ein bestimmter Kunde aktuell hat. Ausschüttungen, Rückzahlungen und Beschlussfassungen basieren auf den in der Blockchain hinterlegten Token. In Verbindung mit dem Anlegerregister ist eine sichere und effiziente Verwaltung möglich.

Die Liste der KYC-geprüften Inhaber ist übrigens ein interessantes Element. Durch die Digitalisierung ist es möglich diese Inhaberdaten über mehrere Emittenten oder sogar über mehrere Plattformen zu teilen. Wenn diese Datenübertragung für den Kunden transparent und auf dessen Wunsch erfolgt, dann könnte der Tokenprozess noch deutlich schlanker werden. Der Kunde müsste sich dann nicht bei jedem Geschäft neu identifizieren. Das spart Kosten und Ärger und ermöglicht eine sinnvolle Handelbarkeit der Token.

Wir freuen uns auf Plattformen oder Emittenten, die hier zusammenarbeiten wollen. Wir haben zu diesem Zweck gerade den Arbeitskreis digitales Wertpapier mit initiiert.

Harald Elsperger, (MBA, Dipl.-Ing.(FH)), 45, Gründer und Vorstand der xpecto AG